Hallo, Frau Abgeordnete!
Am 21.11.2020 haben Sie mir über Ihren Rechtsanwalt in Berlin ein längliches Schreiben per Boten (Waren Sie das etwa höchst persönlich? In diesem Fall sage ich herzlichen Dank!) übermitteln lassen, in dem Sie mir eine Abmahnung überbringen ließen gegen eine Äußerung in einem Satz meiner Kolumne vom 25. (nicht 26., wie Ihr Herr Rechtsanwalt schreibt. Bitte achten Sie doch in Zukunft darauf, dass Sie unwahre Tatsachenbehauptungen vermeiden!) Oktober 2020. Sie werfen mir in diesem Schreiben unwahre Tatsachenbehauptungen vor und verlangen von mir, die gesamte Kolumne von meiner Webseite zu entfernen und eine sogenannte strafbewehrte Unterlassungserklärung zur unterschreiben, gemäß derer ich in Zukunft die beanstandete Äußerung aus meiner Kolumne nie wieder vorbringen würde. Außerdem erwartet Ihr Herr Beauftragter, dass ich ihm für diesen Schriftsatz etwas mehr als 540 Euro übermittele. Täte ich das nicht, drohte er mir in Ihrem Namen an, eine einstweilige Verfügung erwirken zu wollen und wenn auch diese nicht zum gewünschten Ziel führe, mich zu verklagen.
Herzlichen Glückwunsch zu diesem gelungenen Schildbürgerstreich!
Worum geht es bei den mir vorgeworfenen angeblich unwahren Tatsachenbehauptungen?
Frau Küchenmeister ist der Ansicht, dass der Beschluss 95-20-01 aus mehr als einem abzustimmenden Punkt bestanden hätte, während ich der Meinung war, es handele sich nur um einen Punkt. Das kann man leicht nachprüfen, da der Beschluss ja auf der Webseite der Stadt veröffentlicht ist.* Bei Prüfung seines Wortlauts stellt sich zweifelsfrei heraus, dass meine Kunst, bis Eins zu zählen, angemessen war und ist.
Frau Küchenmeister ist zweitens der Ansicht, dass es sich bei diesem Beschluss um die Beteiligung eines Wirtschaftsprüfers am (nächsten) Haushalt handeln würde. Ich dagegen schrieb, dass es in der Sache um den Jahresabschluss (für 2019) ging, für den ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer von der Bürgermeisterin beauftragt werden soll. Auch hier erbringt das Nachlesen des Beschlusses, dass er in der Tat von Jahresabschluss spricht und das Wort Haushalt nicht fällt.
Nun steht es nach den Regeln zur Meinungsfreiheit Frau Küchenmeister selbstverständlich frei, einen Jahresabschluss Haushalt zu nennen. Es wäre mir auch keinesfalls in den Sinn gekommen, ihr für diesen innovativen Vorschlag zur Vereinfachung des finanztechnischen Vokabulars in der deutschen Sprache eine Abmahnung etc. übersenden zu lassen. Aber mir eine solche Papierflut für meine Bereitschaft, an der etablierten Sprachform festzuhalten, durch einen geldgierigen Winkeladvokaten zustellen zu lassen, zeugt von erheblicher Armut im Verständnis anderer Begriffe der deutschen Sprache. Ich denke da zuvörderst an die Worte Demokratie und Meinungsfreiheit.
Werte Frau Abgeordnete: ich empfehle Ihnen, einen Nachhilfekurs in politischer Bildung zu belegen und sich besser, als offenkundig bisher geschehen, mit dem Grundgesetz vertraut zu machen. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg!