Zur finanziellen Situation der Stadt Zossen, den nächsten Aufgaben und zur Transparenz im Rathaus

Auszug aus einem Interview des „Anzeigers für Zossen und Umgebung“, dass die Redaktion freundlicherweise vorab zur Verfügung gestellt hat. Das vollständige Interview können Sie in der Juli-Ausgabe der Zeitung lesen. Die wird ab 31. Juli an die Haushalte verteilt.
Bürgermeisterin Wiebke Schwarzweller hier beim Bürgergespräch in Horstfelde vom 18. Juli 2020
Foto: sr
J.H.:
Frau Schwarzweller, in Deutschland ist es demokratischer Brauch, dass es eine Amtsübergabe vom alten zum neuen Bürgermeister gibt. Wie verlief die Amtsübergabe von der abgewählten Bürgermeisterin, Frau Schreiber, zu Ihnen?
Wiebke Schwarzweller
Bei mir gab es keine direkte Amtsübergabe. Ich habe einen Bericht von der Alt-Bürgermeisterin bekommen, der zehn Seiten umfasste, in dem sie die wesentlichen Projekte der Stadt Zossen aus ihrer Sicht und aus ihrer Perspektive kurz dargestellt und gesagt hat, was in den nächsten Jahren getan werden muss. Das war meines Erachtens stellenweise sehr unqualifiziert. Daraus ergaben sich auch rechtliche Probleme, die ich dann im Laufe meiner Tätigkeit feststellte. Ich hätte mir einfach gewünscht, dass, wenn wir schon nicht miteinander kommunizieren, sie zumindest meinen Stellvertreter in alle Probleme der Stadt Zossen eingeweiht hätte. Aber selbst mein Stellvertreter wusste nicht, dass es einen Nachtragshaushalt 2018 /2019 gab. Mein Stellvertreter kannte die Zahlen der vergangenen Jahre und des Haushaltes nicht. Er war nicht in den Vorgang des besonderen Geschäftsvorfalls involviert. Er wurde auch nicht in die Planung einbezogen, die die Deutschen Bahn Projekte betreffen. Er war also in keine der strategischen Entscheidungen, die für die Stadt Zossen essentiell sind, involviert.
J.H.:
Im Interview, dass wir vor Ihrem Amtsantritt führten, sagten Sie, Sie müssten als erstes einen Kassensturz machen, um zu sehen, wie es um die Finanzen der Stadt bestellt ist. Was ergab der Kassensturz?
Wiebke Schwarzweller
Der Kassensturz hat ergeben, dass ich im Februar einen mittelfristigen Kassenkredit in Höhe von 10 Millionen Euro aufnehmen musste, weil die Liquidität nur bis Februar 2020 gesichert war. Diese Liquidität war unzureichend, um sicher und stabil über ein Quartal hin zu wirtschaften. Das war ein Punkt. Der Kassensturz hat auch hervorgebracht, dass von dem besonderen Geschäftsvorfall, einer einmaligen Einnahme in Höhe von ursprünglich 18,6 Millionen Euro, nichts mehr übrig ist. Sie wurden verwendet, um einen Teil des vorhergehenden Kassenkredites zurückzuzahlen und die Liquidität ab Sommer 2019 für die Stadt Zossen zu sichern. Das Geld wurde also ausgegeben. Die Überprüfungen des Wirtschaftsprüfers haben ebenfalls ergeben, dass wir keinen Gewinn bzw. kein positives Ergebnis aus unseren Gewerbesteuereinnahmen erzielen, sondern dass wir eigentlich mit jeder Gewerbesteuereinnahme quasi ein Defizit im Haushalt haben. Das lag 2017 ungefähr bei 2,8 Millionen Euro und 2018 bei 700 Tausend Euro. Als ich mir die Zahlen für 2019 und 2020 angeschaut habe, war ich schon sehr erschrocken. Das muss ich einfach ganz klar sagen. Die prognostizierten Zahlen des Nachtragshaushaltes sind weitestgehend auch so eingetreten.
J.H.:
Wie wollen Sie aus dem Dilemma herauskommen?
Wiebke Schwarzweller
Wir haben ein Haushaltsicherungskonzept erarbeitet und Konsolidierungsmaßnahmen ergriffen. Hauptkonsolidierungspunkt ist die Anpassung des Gewerbesteuerhebesatzes. Wir werden diesen 2021 auf 270 Prozent erhöhen und dadurch unser strukturelles Defizit sukzessive abbauen. Das heißt, wenn unsere Planungen greifen, werden wir 2023 den ersten positiven Haushalt verabschieden können.
Hintergrund: Der Haushalt 2020/2021 wurde am 1. Juli 2020 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossen. Er liegt derzeit der Kommunalaufsicht zur Bestätigung vor. Was bisher noch nicht erfolgt ist, d.h. er ist noch nicht in Kraft und es kann auch noch nicht danach gearbeitet werden. Die Redaktion