Ich weiss, ich hätte schneller sein müssen mit dem Bericht aus dem Recht-Sicherheit-Ordnung (RSO) Ausschuss am letzten Dienstag. Frau Schreiber hat es doch tatsächlich geschafft, die von ihr in dieser Sitzung eingebrachten Überraschungen am gestrigen Mittwoch noch zu überbieten. Wenn Sie also mein heutiger Bericht über den RSO nicht so erheitert wie die Eulenfabel über den gestrigen SJBS Ausschuss, sehen Sie es mir bitte nach. Am Dienstag war es zu spät, um gleich noch einen Bericht zu verfassen und gestern nahm ich an der Abschlussveranstaltung unseres startsocial Beratungsstipendiums teil.
Aber was war nun los am Dienstag beim RSO?
Er begann eigentlich ganz harmlos. Niemand protestierte gegen die Tagesordnung oder die Niederschrift der vorherigen Sitzung. Der Bericht der Verwaltung war kurz und schmerzlos. Die Einwohnerfragestunde startete mit der Anfrage von Frau Reglin von der Facebookgruppe Coronahilfe Zossen - wir rücken zusammen, ob die Stadt erneut eine Müllaktion der Gruppe unterstützen würde. Die Bürgermeisterin sagte zu. Dann eilte Frau Schreiber energisch zum Rednerpult, mit vielen Blättern Papier und erkennbarer Entschlossenheit bewaffnet, aber ohne Maske. Sie forderte Rederechte für 4 Tagesordnungspunkte und wollte sofort zu 3 Themenkomplexen sprechen. Sie verstand sich also noch immer nicht als eine fragende Bürgerin, sondern als eine ungefragte Berichterstatterin, Kommentatorin und Kritikerin, die sich diebisch freute, die Stadt ausmanövriert zu haben. Aber immer der Reihe nach.
Eidesstattliche Erklärung
Zuerst überraschte Frau Schreiber alle nicht zu ihrem Wählerbündnis gehörigen Anwesenden mit einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie immer gewusst hätte, dass laut Gesellschaftervertrag von 1993 der stellvertretende Bürgermeister Mitglied des Aufsichtsrats der Zentralen Wohnungsbaugesellschaft (ZWG) sei. Soweit so gut, auch wenn sie im Finanzausschuss, als dieser Punkt zur Sprache kam, gar nicht in diesem Zusammenhang genannt worden ist. Aber ich erkenne an, dass sie als weisser Elefant im Raum stand.
Doch dann ging die Erklärung weiter und offerierte die nächste Überraschung. Die gute Ex-Aufsichtsratsvorsitzende teilte mit, dass sie mit ihren jeweiligen Stellvertretern (beides Männer) vereinbart hätte, dass man sich die Teilnahme an den Sitzungen der verschiedenen Institutionen, in denen man als Vertreter/in der Stadt pflichtgemäß anwesend zu sein hätte, erleichtern würde. Der eine ginge dahin, die andere dorthin. Frau Schreiber hat damit elegant ihre Stellvertreter im Zuge von angeblicher Arbeitsteilung aus dem Aufsichtsrat ausgebootet, d.h. sie an der Wahrnehmung ihrer Stimmrechte gehindert, und gab das auch noch öffentlich zu.
Die anderen Details ihrer Erklärung, wonach sie ihr Zimmer mit ihrem Stellvertreter geteilt hätte und es damit ausgereicht hätte, dass sie und ihre sukzessiven Stellvertreter immer nur eine einzige, gemeinsame Einladung zu den Sitzungen erhalten hätten, waren ebenfalls erheiternd unglaubwürdig.
Rederechte
Als Frau Schreiber sich ihrem zweiten Themenkomplex zuwenden wollte, ermahnte die Ausschussvorsitzende Frau Küchenmeister sie zuvorkommend, sie möge doch wenigstens eine kleine Frage stellen und nicht schon wieder einen Bericht liefern.
Frau Schreiber murmelte etwas, was wie Zustimmung klang. Ich war auf die Frage gespannt. Aber sie kam nicht. Stattdessen hielt die gute Frau eine längere Rede zum Thema von Rederechten von Bürgern zu Tagesordnungspunkten von Ausschüssen. Sie hatte die Chuzpe zu behaupten, dass viele Bürgerinnen im letzten Jahr das Rederecht zu Tagesordnungspunkten genutzt hätten und sie durch die Hauptverwaltungsbeamtin und verschiedene Stadtverordnete nun daran gehindert würden und somit ihre demokratischen Rechte verloren hätten. Absolut witzig. Es gab gewiß ab und zu eine zurückhaltende Stimme, die mal zu dem einen oder dem anderen Tagesordnungspunkt etwas zu sagen wünschte. Aber in der Hauptsache war es Frau Schrei(b)er, die lange Listen von Tagesordnungspunkten, wiederholt durchaus auch alle, die die Beschlussvorlagen betrafen, aufzählte, zu denen sie Rederecht wünschte.
Dann kam die höhnische Mitteilung, warum der lange Vortrag zum Thema Rederecht jetzt und hier im RSO von ihr und nicht etwa von ihrem Mitstreiter, dem Ausschussmitglied Herrn Manthey, wie es sein Recht und seine Pflicht gewesen wäre, erforderlich gewesen sei. Wenn ich die Quintessenz ihrer vielen Worte richtig erfasst habe, geht es darum, dass die im Dezember 2019 geänderte Geschäftsordnung der SVV, die Rederecht für Bürger*innen in Ausschüssen vorsieht, jetzt seit mehr als einem Jahr in Kraft sei und damit verbindliche Gültigkeit erlangt hätte.
Die Ausschussvorsitzende empfand es als ihr Recht und ihre Pflicht, der Philippika (so nennt man eine leidenschaftliche Brand- oder Angriffsrede, seitdem im antiken Athen Demosthenes zum Widerstand gegen Philipp II und Vater von Alexander von Makedonien aufgerufen hatte) von Frau Schreiber korrigierend entgegenzutreten. Sie rief die Absicht und den Zweck des AfD-Antrages, der zu dieser Änderung der Geschäftsordnung geführt hatte, in Erinnerung. Sie führte sinngemäß aus, dass ihre Fraktion keineswegs beabsichtigt hatte, einer einzelnen Person das Recht zu geben, ungezügelt Reden zu schwingen. Sie wollte vielmehr Bürgern die Möglichkeit geben, bei unklaren oder vergleichbaren Stellen nachzufragen. Sie forderte die Ausschussmitglieder auf, die Angelegenheit mit Fingerspitzengefühl zu behandeln, da es immerhin bis hinauf zum zuständigen Ministerium Einwände gegen diesen Beschluss gegeben hätte.
Die Abstimmung zum beantragten Rederecht fiel später gegen Frau Schreiber aus. Sie erhielt somit das Recht, ihre Themen an die Bürgerfragestunde anzuhängen. Ihr wurden 7 Minuten dafür zuerkannt. Aber Zossener Uhren gehen in Ausschüssen und SVVs notorisch falsch – mal zu schnell, mall zu langsam, aber nie richtig.
Strittige Themen
Die Schreiberschen Themen betrafen das von der Stadt zur Beratung vorgelegte Hygienekonzept, das sich angeblich Zuständigkeiten des Gesundheitsamtes und des Landkreises anmaßte, den Entwurf des neuen Gesellschaftervertrages für die ZWG und die angebliche Absicht der Stadt, bei den Tempo 30-Regelungen ganze Wohngebiete statt nur Schulen einbeziehen zu wollen.
Bei der später eingeblendeten Vorlage des Hygienekonzepts war nicht ersichtlich, inwieweit die Stadt sich hier Rechte angemaßt hatte, die ihr nicht zustanden. Auch die Erklärung des Verordneten Blanke, er könne durchaus den Punkt von Frau Schreiber erkennen, half da nicht weiter. Es ist ja schön für ihn, wenn er das vermag. Aber weder die anderen Ausschussmitglieder noch ich sind so helle wie er. Eine größere Präzision bei erläuternden Wortbeiträgen, Herr Blanke, wäre da doch – um neudeutschen Jargon zu benutzen – zielführender.
Herr Manthey von Plan B fragte Frau Küchenmeister mokant, ob Herr Gurczik nun ein Visier tragen müsse. Es steht also nicht mehr alles zum Besten zwischen beiden Fraktionen.
ZWG
Nun begann die Diskussion zum neuen Gesellschaftervertrag der ZWG. Zwei empfindliche Punkte standen noch von Frau Schreibers Auslassungen im Raum. Sie hatte allen versichert, dass der jetzige stellvertretende Bürgermeister Herr Kramer weder für sie noch für Frau Schwarzweller lügen würde. Die Bürgermeisterin informierte nun gelassen, dass Herr Kramer ihr mitgeteilt hätte, dass er nichts von seiner Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der ZWG gewußt hätte. Das scheint fast eine Situation wie bei den alten Kretern zu sein: "Epimenedes der Kreter sagte: Alle Kreter lügen." (Paulus an Titus, Neues Testament, I,12).
Der zweite Punkt ergab sich aus der Behauptung von Frau Schreiber, dass die frühere Kämmerin Frau Hollstein Kassen- und sonstige Finanzprüfungen bei der ZWG vorgenommen und diese in den Jahresabschlüssen dargestellt hätte. Frau Schwarzweller wies darauf hin, dass das Fehlen eben dieser Mitteilungen in den Jahresabschlüssen für 2017 und 2018 vom Rechnungsprüfungsamt und vom Wirtschaftsprüfer Herrn Pfleiderer klipp und klar angemerkt und kritisiert worden sei.
Zum Vorwurf, dass Frau Schwarzweller den ZWG Gesellschaftervertrag aus politischen Erwägungen ändern wolle, erwiderte die Bürgermeisterin, dass das genauso ihre Absicht sei, wie Frau Schreiber 2013 den Gesellschaftervertrag aus politischen Gründen neu gefasst habe.
An dieser Stelle ergaben sich dann Fragen und Probleme, die nicht mehr in der Öffentlichkeit diskutiert werden konnten. Um die Tagesordnung nicht zu verletzen, wurde die Diskussion deshalb auf eine Sondersitzung des RSO im März vertagt.
Tempo 30-Zonen
Weitere Beschlussvorlagen betrafen die Einrichtung von mehreren Tempo 30-Zonen in Zossen, Dabendorf, Waldstadt und Wünsdorf. Überraschenderweise bestand großer Diskussionsbedarf zum Scheunenviertel, obwohl dort nur ein Verkehrszeichen einer bereits bestehenden Tempo 30-Zone versetzt werden sollte. Danach ging es Schlag auf Schlag ohne Diskussionsbedarf weiter.
Ende der Veranstaltung
Bevor der öffentliche Teil der Ausschusssitzung sein Ende fand, gab es noch eine Beratung zu den Themen online-Beteiligung an Ausschusssitzungen und streaming von allen Veranstaltungen der Stadtverordneten für die Bevölkerung. Sie diente der Erkundung von Einstellungen unter den Verordneten und von Optionen.